Bewertungsplattformen: Beschwerden müssen an Nutzer weitergeleitet werden
Bundesgerichtshof weitet Verantwortlichkeit der Betreiber aus
Nach dem Erscheinen der Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs (Az. VI ZR 34/15) in der Sache „Jameda II“ im März 2016 wurde zunächst großes Aufheben um die Bedeutung dieser Entscheidung für Bewertungsportale im Internet gemacht. Mittlerweile sind die schriftlichen Entscheidungsgründe des Urteils veröffentlicht. Sie haben jedoch bislang erstaunlich wenig Widerhall in der Fachpresse gefunden.
Dabei ist die Entscheidung bereits die sechste in einer Reihe von Urteilen zu Bewertungsportalen und deren Haftung für fremde Inhalte („user generated content“), die 2009 mit der „Spickmich“-Entscheidung begonnen hatte.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte ein Zahnarzt gegen eine negative Bewertung in einem Bewertungsportal für Ärzte geklagt und behauptet, dass die bewertete Behandlung überhaupt nicht stattgefunden hatte. Das Bewertungsportal hatte den User aufgefordert, die Bewertung „in mindestens zwei Sätzen“ zu begründen und den Behandlungszeitraum zu benennen. Darüber hinaus war der Betreiber weder bereit, die die Beanstandung des Zahnarztes an den User noch die Stellungnahme des Users an den Zahnarzt weiterzuleiten. Dieses Vorgehen war aus Sicht des Bundesgerichtshofs nicht ausreichend.
Betreiber von Bewertungsplattformen im Internet sollten die Entscheidung beachten. Dazu wollen wir eine kurze Einschätzung der aktuellen Situation abgeben.
Was gilt es jetzt zu beachten?
- Grundsätzlich erkennt der Bundesgerichtshof die Zulässigkeit des Geschäftsmodells und auch die gesellschaftliche Bedeutung von Bewertungsplattformen an.
- Eine Überprüfung jedes einzelnen Kommentars und jeder Bewertung ist nach wie vor nicht erforderlich.
- Auch die Möglichkeit, vollkommen anonyme Bewertungen abzugeben, ist weiterhin zulässig.
- Jedoch muss sich der Betreiber einer Bewertungsplattform im Fall einer Beschwerde, die zum Beispiel über die im Impressum angegebene Kontaktadresse eingeht, ernsthaft und innerhalb einer angemessenen Frist mit ihr auseinandersetzen und diese prüfen.
- Ist der Kommentar oder die Bewertung schlicht rechtswidrig, so trifft den Betreiber auch ohne weitere Nachforschungen eine Pflicht zur Löschung, der er unverzüglich nachkommen muss.
- Tut er dies nicht, macht er sich unter anderem schadensersatzpflichtig, was zuletzt sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigte (Az. 64569/09). Im Übrigen besteht ab Kenntnis eines rechtswidrigen Inhalts auch eine Haftung auf Unterlassung, wenn keine Löschung erfolgt.
- Im Streitfall, und das ist der Kern der neuen Entscheidung des Bundesgerichtshofs, muss der Betreiber zumutbare Maßnahmen ergreifen, um die Zulässigkeit der angegriffenen Bewertung zu überprüfen, auch wenn es sich um eine bloße Meinungsäußerung handelt.
- Dazu muss er die Beschwerde an den User weiterleiten und von ihm gegebenenfalls weitere Belege für die Zulässigkeit der Bewertung anfordern.
- Im Zweifel muss der Betreiber die Bewertung entweder löschen oder Belege für die Bewertungsgrundlage angeben können. Unter Umständen müssen diese, gegebenenfalls vom User auf Nachfrage eingereichten Belege sogar (in anonymisierter Form) an das betroffene Unternehmen oder die betroffene Person weitergeleitet werden.
Unser Fazit
Die Rechtsprechung hält an der Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern auch im Hinblick auf Bewertungsportale fest, stellt jedoch hohe Ansprüche an die Prüfung von Beschwerden der bewerteten Unternehmen und Personen im Einzelfall.
Betreiber von Bewertungsportalen sollten daher Maßnahmen ergreifen, um einen Missbrauch der Plattform zu verhindern, indem sie zum Beispiel ihre Nutzer bitten, stets die Grundlage für ihre Bewertung anzugeben und indem sie eine entsprechende Regelung in ihre Nutzungsbedingungen aufnehmen. Hilfreich kann es auch sein, Kontaktdaten wie eine E-Mail-Adresse zum Beispiel über ein Nutzerkonto zu speichern. Dabei muss jedoch selbstverständlich der Datenschutz gewahrt bleiben. In jedem Fall sollten Plattformbetreiber ein funktionierendes Beschwerdemanagement einrichten, um die von der Rechtsprechung geforderten Prüfungen durchführen zu können.
Es bleibt abzuwarten, wie die Gerichte in der Zukunft mit solchen Fällen umgehen. Problematisch sind insbesondere zwei Konstellationen: Erstens ist es denkbar, dass Betreiber von Bewertungsplattformen zum Schutz ihrer Nutzer die vom Bundesgerichtshof geforderten, im Rahmen der Überprüfung eingeholten Informationen nicht weitergeben dürfen. Zweitens ist unklar, wie zu verfahren ist, wenn Bewertungen vollkommen anonym, das heißt ohne die Angabe von Kontaktdaten wie zum Beispiel einer E-Mail-Adresse abgegeben werden.
Der Bundesgerichtshof hat dazu in seiner Entscheidung betont, dass die grundsätzliche Zulässigkeit von Bewertungsportalen im Internet hier nicht durch überzogene Anforderungen untergraben werden darf. Wahrscheinlich kommt es wie so oft auf den Einzelfall an, nämlich wie stark die Rechte des Bewerteten beeinträchtigt sind.
Falls Sie Fragen dazu haben, wie sie in Bezug auf Ihre Plattform die nötigen Vorkehrungen treffen können, wenden Sie sich gerne an uns.