BGH zum Umfang des Auskunftsanspruchs: Auskunft über Korrespondenz und interne Vermerke?

Im April 2021 hatte das Bundesarbeitsgericht in einem mit Spannung erwarteten Urteil die Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs noch offenlassen können, da die Klage bereits unzulässig war. Nun musste der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Urteil vom 15. Juni 2021 (Az. VI ZR 576/19) dazu Stellung beziehen, wie weit dieser Auskunftsanspruch reicht und sorgt hierdurch für mehr Rechtsklarheit – jedoch nicht zur Freude der Praxis.

Grundsätzliches

Seit Geltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) ergibt sich der Auskunftsanspruch nicht mehr aus § 34 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), sondern aus Art. 15 DSGVO. Gemeinsam mit den Informationspflichten des Verantwortlichen aus Art. 13 DSGVO und Art. 14 DSGVO stellt Art. 15 DSGVO somit einen fundamentalen Teil der Betroffenenrechte dar.

Der Anspruch aus Art. 15 DSGVO ist dabei dreigeteilt:

  1. Der Betroffene hat einen Anspruch auf Auskunft, ob ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden.
    Hieraus folgt ebenso ein Anspruch auf Negativauskunft. Sofern keine personenbezogenen Daten des die Auskunft begehrenden Betroffenen verarbeitet werden, so ist dies zu bestätigen.
  2. Werden personenbezogene Daten des Betroffenen verarbeitet, steht dem Betroffenen ein Recht auf Auskunft über diese Daten zu.
    Dem Betroffenen sind die unter Art. 15 Abs. 1 DSGVO aufgelisteten Informationen mitzuteilen. In welchem Umfang und Detail diese Informationen dem Betroffenen jeweils mitzuteilen sind, ist äußerst umstritten.
  3. Darüber hinaus hat der Verantwortliche dem Betroffenen nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.
    Der Inhalt und die Reichweite des Rechts auf eine Datenkopie sind ebenso umstritten.

Was war geschehen?

Der Kläger schloss 1997 mit der Beklagten einen Vertrag über eine Lebensversicherung. Im Jahr 2016 widersprach er dem Zustandekommen des Vertrags. Nachdem das Versicherungsunternehmen den Widerspruch zurückwies, forderte der Versicherungsnehmer zunächst „Datenauskunft im Sinne von § 34 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)“ und anschließend Auskunft gemäß Art. 15 DSGVO. Das Versicherungsunternehmen erteilte in der Folge mehrfach Auskunft, die der Versicherungsnehmer jedoch als unvollständig empfand.

In der Folge erhob der Versicherungsnehmer Klage auf Auskunft, wobei im Vordergrund seines Auskunftsbegehrens die mit ihm geführte Korrespondenz (einschließlich E-Mails), die internen Telefon- und Gesprächsnotizen und sonstige interne Vermerke der Beklagten zu dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsverhältnis und auch die internen Bewertungen der Beklagten zu den Ansprüchen des Klägers aus der streitgegenständlichen Versicherungspolice standen.

Sowohl das Amtsgericht Brühl als auch das Landgericht Köln wiesen die Auskunftsklage ab. In der Folge legte der Kläger Revision ein, weshalb sich nunmehr der BGH mit der Frage des Umfangs des Auskunftsanspruchs zu beschäftigen hatte.

Entscheidende Fragen – und Antworten

Entscheidend für die Beurteilung des Auskunftsanspruchs waren für den BGH dabei drei Fragen.

  1. Fallen die begehrten Informationen unter den Begriff der personenbezogenen Daten?
    Nach Ansicht des BGH fallen die begehrten Informationen unter den Begriff der personenbezogenen Daten. Der BGH legt den Begriff der personenbezogenen Daten in seinem Urteil weit aus und lehnt eine teleologische Reduktion des Begriffs auf „signifikante biografische Informationen […], die im Vordergrund des […] Dokuments stehen“ ab. Eine solche Auslegung könne nach Ansicht des BGH vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) keinen Bestand haben.
  2. Ist ein Anspruch bei Kenntnis des Betroffenen von den personenbezogenen Daten ausgeschlossen?
    Ein Anspruch auf Auskunft ist nach dem BGH auch nicht durch Kenntnis des Betroffenen von den personenbezogenen Daten ausgeschlossen. Dass der Betroffene zwangsläufig den Inhalt der von ihm versendeten oder empfangenen Schreiben schon kennt, ändere nichts an der Einordnung ihres Inhalts als personenbezogene Daten im Sinne der DSGVO. Denn dass eine Korrespondenz früher einmal stattgefunden hat, bedeute nicht, dass der Verantwortliche diese Daten aktuell immer noch verarbeitet. Die Auskunft soll den Kläger in die Lage versetzen, sich der Datenverarbeitung bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
    Zu beachten sei ferner, dass der Auskunftsberechtigte grundsätzlich wiederholt Auskunft verlangen kann (vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DSGVO). Dies spricht ebenfalls dagegen, dass sich das Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO auf Daten beschränke, die dem Betroffenen noch nicht bekannt sind.
  3. Beschränkt sich der Auskunftsanspruch auf extern zugängliche Daten?
    Der Auskunftsanspruch setzt nach Ansicht des BGH offensichtlich weder nach seinem Wortlaut noch nach Sinn und Zweck voraus, dass die fraglichen Daten „extern“ zugänglich sind. Somit sind auch interne Vermerke von dem Anspruch umfasst.
    Zu beachten ist jedoch, dass nach der Rechtsprechung des EuGH rechtliche Analysen zwar personenbezogene Daten enthalten können, die auf der Grundlage dieser personenbezogenen Daten vorgenommene Beurteilung der Rechtslage selbst aber keine Information über den Betroffenen und damit kein personenbezogenes Datum darstellt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – Rs. C-141/12 und C-372/12, CR 2015, 103 Rn. 39 ff.).

Vor dem BGH hatte die Revision demnach größtenteils Erfolg: Das Versicherungsunternehmen habe bisher weder zu der Korrespondenz mit dem Versicherungsnehmer noch zu internen (Telefon-)Vermerken Auskunft erteilt. Diese seien jedoch von dem Auskunftsanspruch gedeckt.

Unser Fazit

Es handelt sich um eine wegweisende Entscheidung in einem Feld, in welchem in der Praxis bisher erhebliche Rechtsunsicherheit herrschte. Zwar vermag das Urteil nicht alle offenen Fragen zu beantworten, jedoch stellt es klar, dass Art. 15 DSGVO dem Betroffenen einen umfassenden Auskunftsanspruch gewährt, welcher insbesondere auch Korrespondenz und interne Vermerke umfasst. Nun gilt es für die Praxis, sich hierauf einzustellen und interne Vorgänge in mögliche Auskunftsbegehren einzubeziehen.

Italienische Datenschutzbehörde verhängt knapp 3 Millionen Euro Bußgeld wegen unzulässiger Marketing-Aktivitäten

Geschrieben am

Die italienische Datenschutzbehörde (Garante per la Protezione dei Dati Personali, kurz „Garante“) hat am 22. Juni bekannt gegeben, dass sie gegen Iren Mercato, ein Unternehmen aus dem Energiesektor, ein Bußgeld in Höhe von 2,9 Millionen Euro verhängt hat. Der Entscheidung liegen Werbemaßnahmen zu Grunde, die nicht von einer wirksamen Einwilligung oder anderen Rechtsgrundlage gedeckt waren.

Was war passiert?

Mehrere Betroffene hatten gegen Iren Beschwerden bei der italienischen Datenschutzbehörde Garante eingereicht, nachdem sie unaufgefordert Werbung erhalten hatten. In der anschließenden Untersuchung stellte die Behörde fest, dass Iren personenbezogene Daten für Telemarketing-Aktivitäten verarbeitet hatte, die sie nicht direkt erhoben, sondern aus anderen Quellen erworben hatte. Iren hatte Listen mit personenbezogenen Daten von einem Unternehmen erhalten, das dieses wiederum von zwei anderen Unternehmen erworben hatte. Dabei hatte Iren nicht überprüft, ob für alle Übermittlungen personenbezogener Daten wirksame Einwilligungen der Betroffenen eingeholt worden waren. So stellte sich heraus, dass die Betroffenen zwar Einwilligungen für Marketingzwecke erteilt hatten, diese Einwilligungen jedoch nicht die Übermittlung von Kundendaten an Iren umfassten.

Rechtlicher Hintergrund

Grundsätzlich bedarf jede Verarbeitung personenbezogener Daten einer Rechtsgrundlage nach der Datenschutzgrundverordnung. Am praktisch relevantesten sind dabei die Einwilligung des Betroffenen, die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung zur Erfüllung eines Vertrags mit dem Betroffenen sowie die Datenverarbeitung auf der Grundlage berechtigter Interessen. Für Werbezwecke wie im vorliegenden Fall kommt regelmäßig lediglich die Einwilligung des Betroffenen nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO als Rechtsgrundlage in Betracht.

Damit eine Einwilligung wirksam ist, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

Freiwilligkeit

Die Einwilligung setzt zunächst eine freiwillige Entscheidung des Betroffenen voraus. Nach der DSGVO kann eine Einwilligung nur freiwillig sein, wenn die betroffene Person „eine echte oder freie Wahl hat und somit in der Lage ist, die Einwilligung zu verweigern oder zurückzuziehen, ohne Nachteile zu erleiden“.

Informiertheit

Außerdem muss die betroffene Person ihre Einwilligung „in informierter Weise“ erteilen. Das setzt voraus, dass die betroffene Person mindestens weiß, wer der Verantwortliche ist und für welchen Zweck ihre Daten verarbeitet werden sollen. Insgesamt muss die Unterrichtung die betroffene Person in die Lage versetzen zu wissen, dass und in welchem Umfang sie ihre Einwilligung erteilt.

Nach Art. 7 Abs. 3 S. 3 DSGVO ist die betroffene Person zudem darüber zu informieren, dass sie jederzeit ihre Einwilligung widerrufen kann.

Bezug auf einen bestimmten Zweck und eine bestimmte Verarbeitung

Außerdem muss sich die Einwilligung auf „einen oder mehrere bestimmte Zwecke“ beziehen.

Die Einwilligung muss sich weiterhin auf bestimmte Verarbeitungstätigkeiten beziehen. Einwilligungen, die einen im Zeitpunkt der Einwilligung nicht absehbaren Kreis von Verarbeitungstätigkeiten abdecken sollen, genügen nicht.

Unmissverständlichkeit

Zudem muss die betroffene Person die Einwilligung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben. Diese Willensbekundung kann in Form einer ausdrücklichen Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung erfolgen.

Keine wirksame Einwilligung für Datenübermittlungen an ungenannte Dritte

Iren hatte die Daten von einem Unternehmen erworben, welche diese wiederum von zwei anderen Unternehmen erhalten hatte. Die beiden Unternehmen, welche die Daten erhoben hatten, hatten dabei von den Betroffenen eine Einwilligung für die Weitergabe von Daten an Dritte eingeholt. Die Garante entschied, dass die Verarbeitung der Daten durch Iren als weiteren Verantwortlichen nicht auf die pauschale Einwilligung in die Weitergabe der Daten an Dritte gestützt werden kann, da die Daten von einem zwischengeschalteten Verantwortlichen erworben wurden.

Auch durfte sich Iren nicht auf eine vertragliche Regelung verlassen, nach welcher das zwischengeschaltete Unternehmen garantierte, dass eine wirksame Einwilligung vorliege. Im Fall des Erwerbs von Daten von einem Zwischenhändler könne sich Iren nicht auf eine Garantie, nach welcher das zwischengeschaltete Unternehmen die Wirksamkeit der erteilten Einwilligung vertraglich zusichert berufen. Iren hätte überprüfen müssen, ob die Einwilligung auch die erneute Datenweitergabe umfasst.

Die Garante betonte, dass die von einem Betroffenen erteilte Einwilligung in Werbeaktivitäten Dritter sich nicht auf weitere Übermittlungen an andere Dritte bezieht. Solche Übermittlungen seien nicht durch die erforderliche spezifische und in Kenntnis der Sachlage erteilte Einwilligung gedeckt.

Zum Bußgeld

Die Datenschutzbehörde nahm deshalb einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 lit. a und Art. 7 Abs. 1 DSGVO an. Zudem lag nach Ansicht der Datenschutzbehörde ein Verstoß gegen die allgemeinen Grundsätze der Rechtmäßigkeit, der Verarbeitung nach Treu und Glauben und der Transparenz sowie der Rechenschaftspflicht aus Art. 5 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 DSGVO vor.

Die Garante setzte dehsalb gegen Iren Mercato eine Geldbuße in Höhe von 2,9 Millionen Euro fest. Die Höhe der Sanktion wurde vor allem damit begründet, dass die personenbezogenen Daten, die ohne wirksame Einwilligung übermittelt worden waren, mehrere Millionen Personen betrafen.

Fazit

Die Entscheidung der Garante verdeutlicht, dass insbesondere Unternehmen, die personenbezogene Daten von anderen Unternehmen zu Werbezwecken übernehmen, genau prüfen müssen, ob eine wirksame Einwilligung der Betroffenen vorliegt und ob diese Einwilligung auch die Übermittlung an und die Nutzung durch das eigene Unternehmen umfasst. In keinem Fall darf man sich rein auf vertragliche Zusicherungen verlassen, sondern sollte konkret prüfen, ob sich die Einwilligung der Betroffenen auch auf die eigenen Verarbeitungszwecke erstreckt.