Frankreich: Die Nutzung von Google Analytics verstößt gegen die DSGVO

Die französische Datenschutzbehörde CNIL gab am 10. Februar bekannt, dass sie gegen einen ungenannten französischen Website-Betreiber eine Anordnung zur Einhaltung der DSGVO erlassen hat, nachdem sie festgestellt hat, dass die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA durch die Nutzung von Google Analytics nicht mit Art. 44 DSGVO vereinbar ist. Dies geschah im Lichte des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen „Schrems II“ und im Anschluss an eine von None of your business („NOYB“) an die CNIL gerichtete Beschwerde.

Hintergrund des Rechtsstreits

Am 17. August 2020 reichte NOYB 101 Beschwerden gegen EU-Webseitenbetreiber ein, die weiterhin Daten von Webseitenbesuchern an Google LLC und Facebook Inc. (jetzt Meta Platforms, Inc.) übermitteln und damit angeblich trotz des Urteils in der Rechtssache Schrems II weiterhin gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen. Am 13. Januar 2022 veröffentlichte NOYB bekanntlich die erste Entscheidung, die nach der Einreichung seiner Beschwerden erging – eine Entscheidung der österreichischen Datenschutzbehörde DSB, in der festgestellt wurde, dass die Verwendung von Google Analytics durch einen nicht genannten Website-Betreiber gegen die DSGVO verstößt. Die vorliegende Verfügung der CNIL ist die zweite Entscheidung, die von einer EU-Datenschutzbehörde als Reaktion auf die 101 Beschwerden von NOYB veröffentlicht wurde.

Zur weiteren Erläuterung führte die CNIL aus, dass Google Analytics, um die Anzahl der Besuche von Internetnutzern zu messen, jedem Besucher eine eindeutige Kennung zuweist, die, wie die CNIL hervorhob, ein personenbezogenes Datum darstelle, das anschließend zusammen mit weiteren dazugehörigen Daten in die USA übermittelt werde, was somit unter Kapitel V der Datenschutz-Grundverordnung falle. Darüber hinaus erklärte die CNIL, dass sie mit ihren europäischen Kollegen zusammengearbeitet habe, um die Rechtmäßigkeit der Bedingungen zu bewerten, unter denen die durch diesen Dienst gesammelten Daten an die USA übermittelt werden.

Feststellungen der CNIL

Die CNIL hob insbesondere hervor, dass nach der DSGVO die Übermittlung personenbezogener Daten in die USA nur dann erfolgen darf, wenn angemessene Garantien zur Gewährleistung der Datensicherheit gegeben sind und stellte fest, dass dies bei der Verwendung von Google Analytics durch den Website-Betreiber nicht der Fall war. Konkret wies die CNIL darauf hin, dass Google zwar zusätzliche Maßnahmen zur Regelung der Datenübermittlung im Zusammenhang mit der Google-Analytics-Funktionalität ergriffen habe, diese jedoch nicht ausreichten, um die Zugänglichkeit dieser Daten für US-Geheimdienste auszuschließen. Folglich stellte die CNIL fest, dass die Verwendung von Google Analytics in diesem Fall bedeutet, dass die Daten von Internetnutzern in die USA übermittelt werden, was einen Verstoß gegen die Art. 44 ff. DSGVO darstelle.

Deshalb wies die CNIL den Betreiber der Website an, seine Verarbeitung mit der DSGVO in Einklang zu bringen, gegebenenfalls durch Einstellung der Verwendung von Google Analytics (unter den derzeitigen Bedingungen) oder durch Verwendung eines Tools, das keine Übermittlung personenbezogener Daten in Länder außerhalb der EU beinhaltet. Darüber hinaus stellte die CNIL fest, dass der Website-Betreiber einen Monat Zeit habe, um der Richtlinie nachzukommen.

Darüber hinaus wies die CNIL darauf hin, dass sich die laufenden Untersuchungen der CNIL und ihrer EU-Kollegen auch auf andere Tools erstrecken, die von Websites verwendet werden, die zur Übermittlung von Daten von EU-Internetnutzern in die USA führen, und betonte, dass in naher Zukunft diesbezügliche Korrekturmaßnahmen ergriffen werden könnten.

Die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) – Ein Blick auf die Neuregelungen aus der Sicht der Onlinebranche

Nach jahrelangen Verhandlungen haben sich die EU-Kommission, das EU-Parlament und der EU-Rat im abschließenden sog. Trilog bekanntlich am 15.12.2015 auf einen Kompromisstext geeinigt. Damit steht fest, dass die EU-Datenschutzverordnung als für alle Mitgliedsstaaten verbindliche Regelung vermutlich spätestens im ersten Quartal 2018 in Kraft treten wird.

Die datenschutzrechtlichen Grundprinzipien bleiben im Kern bestehen.

Aus der deutschen Sicht ändert sich durch die neue Verordnung nicht viel an den datenschutzrechtlichen Grundprinzipien. Es bleibt bei den Grundsätzen der „Datenvermeidung und Datensparsamkeit“, der „Zweckbindung“, des „Verbotes mit Erlaubnisvorbehalts“ und der „Transparenz“ (vgl. Art. 5 „Principals relating to personal data processing“).

Auswirkungen für die Onlinebranche

Die praktischen Auswirkungen für die Onlinebranche sind zum Teil erheblich. Denn der Anwendungsbereich des neuen Datenschutzrechtes wird sich zukünftig erheblich ausweiten. Das betrifft insbesondere den Umfang des Anwendungsbereiches der „personenbezogenen Daten“. Bisher fiel unter den Begriff der „personenbezogenen Daten“ ein Datum, dass eine natürliche Person identifizieren konnte oder zumindest identifizierbar machte, wie beispielsweise Name, Vorname, Telefonnummer, etc. Da jedoch Cookie-IDs, User-ID´s, IP-Adressen, Mac-Adressen, etc. aus der Sicht der Onlinebranche natürliche Personen jedenfalls nicht ohne weiteres identifizierbar machten, wurde vielfach der Standpunkt vertreten, dass diese Daten als anonym einzustufen seien. Die Verarbeitung von anonymen Daten unterliegt aber nicht dem Anwendungsbereich der Datenschutzgesetze. Folglich war das die datenschutzrechtliche Begründung, weshalb moderne Online- und Trackingtechnologien, wie beispielsweise das Cookie-Synching, das Cross-Device-Targeting, das OBA und viele andere Targetingtechnologien für zulässig erachtet wurden.

Dieser Betrachtungsweise ist durch die neue Datenschutzverordnung nunmehr ein Riegel vorgeschoben, denn die neue EU-DSGVO stellt in Art. 4 Abs. 1 nunmehr ausdrücklich klar:

„..’personal data‘ means any information relating to an identified or
identifiable natural person ‚data subject‘; an identifiable person is one who
can be identified, directly or indirectly, in particular by reference to an
identifier such as a name, an identification number, location data, online
identifier or to one or more factors specific to the physical, physiological,
genetic, mental, economic, cultural or social identity of that person“

Näheres ergibt sich aus den für die Onlinebranche sog. „Erwägungsgrund“ 24, der weitere Beispiele auch benennt:

“…online identifiers provided by their devices, applications,
tools and protocols, such as Internet Protocol addresses, cookie identifiers
or other identifiers such as Radio Frequency Identification tags…“

Im Klartext dürften also zukünftig „Online-Identifier“, wie Cookie-IDs, IP-Adressen, etc. unzweifelhaft als personenbezogene Daten zu betrachten sein. Das stellt also eine ganz wesentliche Änderung gegenüber dem bisherigen Recht dar. In praktischer Hinsicht bedeutet das, dass die Verarbeitung solcher Online-Identifier zukünftig an und für sich der Einwilligung bedarf. Der Betroffene muss eine Einwilligung für genau definierte Zwecke abgeben. Allerdings ist in Art. 4 Nummer 8 EU-DSGVO erfreulicherweise klargestellt, dass diese Einwilligung auch durch schlüssige Handlungen, etwa durch das Weiternutzen von Onlinediensten, erklärt werden kann. Das wird deutlich durch die sprachliche Abkehr von der ausdrücklichen („explicit“) Einwilligung hin zur unmissverständlichen („unambigous“)  Einwilligung des Nutzers.

In vielen Fällen der Onlineindustrie wird eine solche Einwilligung vermutlich aber gar nicht erforderlich sein und das liegt an der neu geschaffenen „Online-Marketing-Klausel“ des Art. 6 Abs.1 f EU-DSGVO.

Ermächtigung für Onlinewerbezwecke

Denn die Rettung naht in Form dieses Art. 6 Abs. 1 f der EU-DSGVO. Denn in Art. 6 EU-DSGVO sind unterschiedliche Tatbestände benannt, die eine einwilligungslose Verarbeitung personenbezogener Daten gestatten. Die wichtigste Vorschrift für die Onlinebranche ist dabei die Regelung des Art. 6 Abs. 1 f.

Diese lautet:

“Processing of personal data shall be lawful only if and to the extent that at

least one of the following applies:

….

  1. f) processing is necessary for the purposes of the legitimate interests pursued

by the controller or by a third party, except where such interests are

overridden by the interests or fundamental rights and freedoms of the data

subject which require protection of personal data, in particular where the data subject is a child. ….”

In dieser Klausel wird  nicht nur eine gesetzliche Erlaubnis für die klassischen Direktmarketingmethoden zu sehen sein, sondern auch und erst recht für die Durchführung nutzungsbasierter Online-Werbung. Personenbezogene Daten können nach dieser Regelung bei einem „legitimen Interesse“ des Datenverarbeiters genutzt werden, solange diese legitimen Interessen nicht offensichtlich hinter den Interessen des Betroffenen zurückzustehen haben. Dass es sich bei den Werbeinteressen der Onlinebranche um „legitime Interessen“ im Sinne der EU-DSGVO handelt, ergibt sich aus dem Erwägungsgrund 38 zu dieser Vorschrift. Dort heißt es nämlich:

“The legitimate interests of a controller, including of a controller to which the data may be disclosed, or of a third party may provide a legal basis for processing, provided that the interests or the fundamental rights and freedoms of the data subject are not overriding…”

Am Ende heißt der für die Onlinewerbebranche so wichtige Satz: „…“

“The processing of personal data for direct marketing purposes may be regarded as carried out for a legitimate interest.”

Damit steht also fest, dass „Werbeinteressen“ als „legitime Interessen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 f EU-DSGVO gelten. Jedes wie auch immer geartete berechtigte Interesse des Werbetreibenden reicht also grundsätzlich aus, um die Datenverarbeitung zu legitimieren. Eine Regelung, die sehr ähnlich ist zu einer Regelung im Bundesdatenschutzgesetz, nämlich § 28 Abs. 1 BDSG. Die Anforderungen an ein berechtigtes Interesse sind dabei nicht allzu streng. So soll es beispielsweise für die Weitergabe von Daten an Dritte ausreichen, dass diese Dritten ihrerseits ein berechtigtes Interesse geltend machen können. Das ist natürlich insbesondere für den Adresshandel von erheblicher Bedeutung. Bei der Auslegung des Begriffs der „ berechtigten Interessen“ nähert man sich in bemerkenswerter Weise den US-amerikanischen Vorstellungen des Datenschutzes an. Denn zukünftig werden die „redlichen Erwartungen der Betroffenen“ offenbar zum zentralen Ausgangspunkt der Abwägung. Denn Daten, deren Verarbeitung die User („Betroffene“) redlicherweise erwarten dürfen, dürfen zukünftig auf der Basis von Art. 6 weitreichend ohne eine Einwilligung verarbeitet werden. Das ergibt sich unter anderem auch aus dem Erwägungsgrund 38, in dem es heißt:

“The legitimate interests of a controller, including of a controller to which the data may be disclosed, or of a third party may provide a legal basis for processing, provided that theinterests or the fundamental rights and freedoms of the data subject are not overriding, taking into consideration the reasonable expectations of data subjects based on the relationship with the controller.”

Kurzum: auch zukünftig werden die meisten Geschäftsmodelle der Onlinebranche ohne eine Einwilligung auskommen, solange sie sich innerhalb des Anwendungsbereiches dieser „redlichen Erwartungen“ ihrer User bewegen. Wie weit der Umfang dieser „redlichen Erwartungen“ tatsächlich geht, bleibt in der Zukunft abzuwarten. Möglicherweise macht es auch Sinn diese „redlichen Erwartungen“ in der eigenen Datenschutzerklärung anzusprechen und damit ihren Anwendungsbereich auszudehnen.

Opt-Out ist zukünftig zwingend erforderlich.

Art. 19 EU-DSGVO sieht vor, dass zukünftig bei der Verarbeitung von Nutzungsdaten zwingend ein Opt-Out möglich sein muss.

Das ist für die deutsche Onlinebranche nichts neues, der Anwendungsbereich dieser Regelung geht aber über den Anwendungsbereich des in Deutschland bereits bekannten § 15 Abs. 3 TMG hinaus. Positiv im Sinne der Onlinebranche ist der Umstand, dass die Regelungen von Art. 19 Abs. 1 und Abs. 2 EU-DSGVO eine Widerspruchsregelung (Opt-Out) ausdrücklich auch auf die Fälle der Profilbildung gem. Art. 6 Abs. 1 e und f EU-DSGVO vorsehen. Dadurch wird nämlich deutlich, dass der EU-Gesetzgeber diese Profilbildung für die Onlineindustrie ausdrücklich gesehen hat und regeln wollte.

Die Informationen über das Widerspruchsrecht müssen spätestens beim ersten Kontakt mit der datenverarbeitenden Stelle (z. B. dem Publisher) gegeben werden. Das kann z. B. in der Datenschutzerklärung geschehen oder über das zentral gesteuerte Präferenzmanagement-Tool unter www.meine-cookies.org. Diese Plattform basiert auf der vom BVDW maßgeblich getragenen Selbstregulierung der Werbewirtschaft beim Online-Behavioral-Targeting (OBA) über den Deutschen Datenschutzrat Online Werbung (DDOW).

Fazit:

Die aus der Sicht der Onlinebranche wichtigsten Regelungen lassen nach einer ersten, vorläufigen Analyse folgenden Schluss zu:

  • Die wesentlichen Geschäftsmodelle der Onlinebranche dürften auch zukünftig nicht ernsthaft gefährdet sein.
  • Zwar ist der Begriff der personenbezogenen Daten erweitert worden, so dass es zukünftig nicht mehr möglich sein wird, den Standpunkt zu vertreten, Cookie-IDs, IP-Adressen und andere Online Identifier seien anonym.
  • In praktischer Hinsicht dürfte diese Änderung des Datenschutzrechtes aber keine größeren Auswirkungen haben. Das liegt in erster Linie an dem neu gefassten Art. 6, insbesondere an Abs. 1 f, der Online Marketing Klausel der EU-DSGVO. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zum Zwecke der Onlinewerbung wird daher zukünftig voraussichtlich auf diese „legitimen Interessen“ gestützt werden, von denen in § 6 Abs. 1 f EU-DSGVO die Rede ist.

Die EU-DSGVO enthält noch eine Vielzahl von weiteren Regelungen, die für die Onlinebranche praktische Auswirkungen haben.

Benötigen Sie daher Hilfe bei der Analyse der zukünftigen Anforderungen der EU-DSGVO und ihrer Auswirkungen auf Ihr Unternehmen oder das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens, dann wenden Sie sich gerne an uns: Eickmeier@Unverzagt.law oder Telefon 040 41400034.