Kippt das TCF 2.0? Neues zur Auseinandersetzung mit der belgischen Aufsichtsbehörde

Vor etwa einem Jahr hat die belgische Datenschutzbehörde (APD) ihre Untersuchungen gegen das Interactive Advertising Bureau (IAB) Europe und deren 2018 ins Leben gerufene und 2019 als 2.0 Version überarbeitete „Transparency And Consent Framework“ (kurz TCF 2.0) begonnen. Dabei handelt es sich um einen Standard, der die Digitalwerbe-Branche bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften im Rahmen der eigenen Datenverarbeitungsprozesse unterstützen soll, insbesondere bei der Einholung von Einwilligungen für Online-Tracking durch Dritte, so genannte Vendoren.

Was ist der aktuelle Stand?

Das IAB Europe hat in einer Mitteilung am 5. November 2021 mitgeteilt, dass die belgische Datenschutzbehörde einen Entscheidungsentwurf veröffentlichen will, der die Untersuchung zur Rolle von IAB Europe im Rahmen des TCF abschließt. Dieses Verfahren war von einer Gruppe von Beschwerdeführern, koordiniert vom Irish Council for Civil Liberties (ICCL), gegen IAB Europe und dessen Einwilligungs-Standard TCF 2.0 eingeleitet worden.

In diesem Entwurf werden wohl Verstöße der IAB Europe gegen die DSGVO festgestellt. Die zentralen Punkte des Entwurfes sind offenbar die Folgenden:

  1. Die APD geht davon aus, dass es sich bei den „Consent Strings“ um personenbezogene Daten handelt. Bei den „Consent Strings“ handelt es sich um digitale Signale, die auf Websites erstellt werden, um die Entscheidungen der Betroffenen über die Verarbeitung ihrer Daten für digitale Werbung, Inhalte und Messungen zu erfassen. Der ICCL beschreibt es in seiner Pressemitteilung vom 5. November als „Identifizierungscode, der über eine Person erstellt wird, basierend darauf, welche Apps sie nutzt und welche Websites sie besucht, und was sie in Zustimmungs-Popups anklickt“.
  2. IAB Europe ist in diesem Rahmen als für die Datenverarbeitung Verantwortlicher anzusehen.
  3. IAB Europe wird im spezifischen Kontext von OpenRTB vermutlich als mit vielen anderen Online-Werbetreibenden gemeinsam für die Verarbeitung Verantwortlicher für Consent Strings angesehen. Beim OpenRTB (Real-Time-Bidding) handelt es sich um ein tracking-basiertes Anzeigen-System, bei dem Werbetreibende bei der Auslieferung von Werbemitteln automatisiert und in Echtzeit Werbeeinblendungen auf Websites der Publisher kaufen können.

IAB Europe sah sich bisher nicht als Verantwortlicher

Bisher ist das IAB Europe laut eigener Aussage auf Grundlage der bisherigen Leitlinien anderer Datenschutzbehörden und der Tatsache, dass das IAB Europe einzelne Consent Strings weder verarbeitet, besitzt oder sonst über deren Verwendung entscheidet, sowie auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, nicht als für die Datenverarbeitung im Kontext des TCF Verantwortlicher zu gelten. Etwaige Pflichten eines Verantwortlichen hat das IAB Europe dementsprechend bisher nicht erfüllt.

Die Entscheidung der belgischen Aufsichtsbehörde ist daher durchaus überraschend, auch weil das TCF in Zusammenarbeit mit Datenschutzbehörden erarbeitet wurde. Dies soll laut Aussage des IAB jetzt erneut geschehen um das TCF datenschutzkonform anzupassen und den Anforderungen der DSGVO zu entsprechen.

Mögliche Folgen der Entscheidung für die Onlinemarketing-Branche

Endgültig werden wir die Auswirkungen dieser Entscheidung erst beantworten können, wenn der Entscheidungsentwurf veröffentlicht wurde und andere Aufsichtsbehörden Stellung dazu beziehen. Das kann noch etwas dauern, da der Entwurf zunächst an andere Datenschutzbehörden weitergeleitet wird und die belgische Datenschutzbehörde davon ausgehend eine endgültige Entscheidung treffen oder aber die Angelegenheit an den Europäischen Datenschutzausschuss (EDPB) zur verbindlichen Entscheidung weiterleiten wird.

Das IAB ist insofern zuversichtlich, dass die festgestellten Verstöße innerhalb von sechs Monaten unter Zusammenarbeit von IAB, der belgischen Aufsichtsbehörde und den anderen Aufsichtsbehörden behoben werden können. So steht es angeblich auch im besagten Entscheidungsentwurf. Einen anderen Ton schlägt hingegen der ICCL an, der in seiner Pressemitteilung jubelt „We have won“ und den Entscheidungsentwurf so bewertet, dass festgestellt wurde, dass IAB Europe und dessen TCF hundert Millionen Europäern ihrer Grundrechte beraubt habe und das TCF rechtswidrig sei.

Was lässt sich bereits jetzt sagen?

Für die Frage, ob das IAB Europe tatsächlich als für die Verarbeitung Verantwortlicher angesehen werden kann, ist maßgeblich, wo die Grenze gezogen wird, ab wann der Einfluss auf die Datenverarbeitung bereits so groß ist, dass von einer Verantwortlichkeit gesprochen werden kann. Dass eine hauptsächlich verwaltende Rolle, in der lediglich die Richtlinien festgelegt und eine Liste der teilnehmenden Vendoren verwaltet werden, aber in keiner Weise eine Verarbeitung spezifischer TC Strings durch IAB erfolgt, dafür ausreichen soll, kann angezweifelt werden. Eine Argumentation in die andere Richtung ist zwar denkbar, würde jedoch dazu führen, dass die Schwelle, ab wann eine datenverarbeitende Stelle bereits als Verantwortlicher gilt sehr niedrig angesetzt wird. Die Konsequenz davon wäre, dass viele datenschutzrechtliche Rollenverteilungen und Beziehungen zwischen Verantwortlichen und (vermeintlichen) Auftragsverarbeitern neu überdacht werden müssten. Die Entscheidung der belgischen Aufsichtsbehörde, IAB Europe als für die Verarbeitung Verantwortlicher einzustufen, ist insofern überraschend und könnte, sollte sie Bestand haben, richtungsweisend in der Frage der Abgrenzung von Verantwortlicher, gemeinsam Verantwortliche und Auftragsverarbeiter sein.

In letzter Zeit ist jedenfalls ein Trend zu beobachten, dass zunehmend möglichst viele Datenverarbeitungsprozesse unter den Hut der gemeinsamen Verantwortlichkeit gebracht und der Stempel des Mit-Verantwortlichen auf immer mehr Anwendungsfälle ausgeweitet werden soll. Das wird nicht erst seit der FashionID-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs deutlich. Die Entscheidung der belgischen Aufsichtsbehörde könnte sich insofern in diese Entwicklung einreihen.

Wir werden diese Entwicklung für Sie weiter beobachten. Sobald der Entwurf im Wortlaut veröffentlicht wurde und andere Aufsichtsbehörden dazu Stellung bezogen haben, werden wir die Rechtslage für Sie erneut näher beleuchten.

Bis dahin stehen wir Ihnen selbstverständlich in allen Fragen diesbezüglich zur Verfügung und beraten Sie gern.