Unter Adressable-TV versteht man die Verknüpfung des klassischen linearen Fernsehens mit digitaler Werbung. Weil diese Verknüpfung aber über Hbb-TV Geräte, also auf internetfähigen Geräten, empfangen werden kann, wird es zukünftig möglich, solche Werbeformate in traditionellen linearen Fernsehprogrammen über AdServer-Technologien auszuliefern und individuell auszuwerten. Deutschlandweit sind inzwischen rd. 12 Mio. internetfähige TV-Geräte ans Netz angeschlossen und können damit auch angesteuert werden. Targeting im klassischen TV wird damit endlich – möchte man meinen – möglich. Dass die aus Adressable-TV gewonnenen Daten zum Teil über Vorteile gegenüber klassischen demographischen Daten verfügen, wie sie beispielsweise die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF) anbietet, liegt auf der Hand. Denn die über Hbb-TV gemessenen technischen Reichweiten sind für die klassische Werbewirtschaft oftmals noch interessanter, weil hierdurch der tatsächliche User erfasst wird, der im Moment der Erfassung zusieht. Dagegen liegen die AGF-Daten in der Regel erst am letzten Tag vor. Bei dem Adressable-TV findet also Targeting quasi in Realtime statt.
Wo aber liegt das datenschutzrechtliche Problem beim Adressable-TV? Auf den ersten Blick könnte man meinen, letztlich handelt es sich beim Adressable-TV doch um nichts anderes, als ein weiteres Endgerät, dass nunmehr an das Internet angeschlossen ist und folglich gelten hier dieselben Regeln wie im Internet. Im Internet ist es aber bekanntlich gem. § 15 Abs. 3 TMG möglich, beispielsweise zum Zwecke der Werbung und Marktforschung pseudonyme Nutzerprofile zu erstellen, sofern auf diesen Umstand hingewiesen wird und der Nutzer die Möglichkeit eines Opt-Outs hat.
Die Datenschutzbehörden weigern sich allerdings, diese Regelungen auch beim Adressable-TV/Hbb-TV zur Anwendung zu bringen. Tatsächlich droht gerade der „Untergang“ des Adressable-TVs durch eine „Orientierungshilfe“ der Landesdatenschutzbehörden. Diese „Orientierungshilfe“ zu den Datenschutzanforderungen an Smart-TV-Dienste, erstellt vom sog. „Düsseldorfer Kreis“ unter Federführung des bayerischen Landesamtes für Datenschutz, wurde in der Sitzung des Düsseldorfern Kreises vom 15./16. September 2015 beschlossen. Die Orientierungshilfe richtet sich an die Anbieter von Smart-TV-Diensten und –Produkten. Dazu zählen nach Ansicht des Düsseldorfer Kreises insbesondere Gerätehersteller, Portalbetreiber, App-Anbieter, Anbieter von Empfehlungsdiensten und Anbieter von Hbb-TV Angeboten. Wer sie noch nicht hat, kann sie gerne bei uns anfordern, eine E-Mail genügt.
In dieser Orientierungshilfe bewerten die Aufsichtsbehörden insbesondere die bei den Anbieter von Hbb-TV-Angeboten und ihren Vermarktern geübte Praxis, über eine mit dem Rundfunksignal versandte URL bereits bei der Auswahl eines Senders unmittelbar und ohne weitere Tätigkeiten des Nutzers eine Internetverbindung zu dem Server des Hbb-TV-Anbieter auszulösen. Denn dabei verwendet der Anbieter zumindest die IP-Adresse des Nutzers als (vermeintlich) personenbezogenes Datum, ohne dass für diesen datenverarbeitenden Schritt eine Rechtsgrundlage erkennbar sein. Folgerichtig halten die Aufsichtsbehörden diese Praxis für datenschutzrechtswidrig. Vielmehr weisen die Aufsichtsbehörden darauf hin, dass der Aufruf der Web-Dienste im Rahmen von Hbb-TV und die damit einhergehende wechselseitige Kommunikation erst dann stattfinden dürfe, wenn dies durch den Nutzenden selbst initiiert würde. Dies könne z. B. durch die aktive Entscheidung erfolgen, den „Red-Button“ bei Hbb-TV zu bestätigen und damit den Abruf eines Dienstes bewusst zu veranlassen. Dagegen bewerten die Aufsichtsbehörden das alleinige Einschalten eines bestimmten Programmes nicht als „bewusste Inanspruchnahme“ von Telemedien. Und eben so wenig könne das bloße Verbinden des Gerätes mit dem Internet nicht als Einwilligung verstanden werden.
D.h. im Klartext: So wie derzeit Hbb-TV genutzt wird, insbesondere zum Zwecke des Adressable-TVs und des Targetings, soll es zukünftig nicht mehr zulässig sein. Die Übertragung der IP-Adresse dürfe vielmehr erst dann erfolgen, wenn der Nutzer aktiv den „Red-Button“ geklickt habe. Die Bildung von Nutzungsprofilen nach § 15 Abs. 3 des TMG könne deshalb frühestens nach einer solchen Interaktion des Nutzenden erfolgen. Profile dürfen also erst nach Anklicken des Red-Buttons erstellt werden, aber nicht vorher. Überhaupt dürfe die IP-Adresse vor dem Klicken des Red-Buttons nicht übertragen werden.
Mit dieser Einschätzung der Aufsichtsbehörden läuft das Hbb-TV Gefahr, in Deutschland eingestellt zu werden, bevor es überhaupt richtig losgegangen ist. Denn es wird praktisch nicht möglich sein, dieses Problem technisch zu lösen. Es ist nun einmal so, dass ein Hbb-TV fähiges Gerät, dass bewusst von seinem Erwerber mit dem WLAN verbunden wurde, zur Anbindung an das Internet die IP-Adresse übermitteln muss. So funktioniert das Internet nun einmal. Es bleibt also abzuwarten, ob sich diese Auffassung der Aufsichtsbehörden durchsetzen und wie sich die tatsächliche Praxis weiterentwickeln wird. Für weitere Anfragen zu diesem Thema wenden Sie sich gerne an uns.